Neue Tafeln für die Gedenkstätte .Arbeitserziehungslager Heddernheim.
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Partei(en):CDU•SPD
S A C H S T A N D :
Antrag vom 06.01.2012, OF 110/8 Betreff: Neue Tafeln für die Gedenkstätte "Arbeitserziehungslager Heddernheim" In dem Bericht B 230 vom 6. Mai 2011 teilt der Magistrat mit, dass - wie es der Ortsbeirat vorgeschlagen hat - die Gedenkstätte für das ehemalige "Arbeitserziehungslager Heddernheim" im Oberschelder Weg in nächster Zeit umgestaltet werden soll. Im Zuge dieser Umgestaltung sollen auch die dortigen Gedenktafeln durch neue ersetzt werden. Der Ortsbeirat beabsichtigt, sich mit Mitteln aus seinem Budget an dieser Maßnahme zu beteiligen. In diesem Zusammenhang bittet der Ortsbeirat den Magistrat: 1. die Vorplanung für die Gestaltung der Gedenkstätte inklusive der Tafeln und ihrer Beschriftung unter genauer Angabe der zu erwartenden Kosten dem Ortsbeirat vorzustellen. 2. neue Hinweisschilder in der Dillenburger Straße (Ampelanlage Zeilweg), Zeilweg (Einmündung Ludwig-Reinheimer-Straße), Oberschelder Weg und Heddernheimer Landstraße (U-Bahnstation) mit der Aufschrift "Gedenkstätte Arbeitserziehungslager" (nicht "ehemaliges Arbeitserziehungslager") so aufhängen zu lassen, dass die Beschriftung von beiden Seiten zu erkennen ist sowie ein Schild vor dem Treppenabgang zur Gedenkstätte in der Ludwig-Reinheimer-Straße. 3. dafür Sorge zu tragen, dass die Neugestaltung der Tafeln in enger Abstimmung mit dem Ortsbeirat, dem Institut für Stadtgeschichte, dem Stadtteilhistoriker und der Arbeitsgruppe Stolpersteine Heddernheim (runder Tisch) unter Berücksichtigung der neuen Forschungen zu diesem Thema erfolgt. Dabei soll der Inhalt der bisherigen Tafeln (Anlage 1), der Vorschlag des Stadtteilhistorikers, Herrn Protsch (Anlage 2), sowie der Vorschlag der Stolpersteininitative Heddernheim (Anlage 3) geprüft werden. 4. zu prüfen und zu berichten, ob, und wenn ja, in welcher Weise eine Auflistung von Namen, Nationalität, Grund der Inhaftierung und evtl. der Todesursache der Opfer an der Gedenkstätte möglich wäre.
Begründung:
Mit der Neugestaltung der Gedenkstätte und der Tafeln soll insgesamt - mehr noch als dies bisher der Fall ist - auf die Gräueltaten in der verharmlosend genannten Einrichtung "Arbeitserziehungslager" in einer würdigen und eindringlichen Weise aufmerksam gemacht werden. Anlage 1 = bisheriger Tafelinhalt An dieser Stelle befand sich vom 1. April 1942 bis zum 18. März 1945 das Arbeitserziehungslager Heddernheim. "Arbeitserziehungslager" waren Bestandteil des nationalsozialistischen Strafvollzugs. Das Lager war der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in Frankfurt am Main unterstellt, die ihren Sitz in der Lindenstraße 27 hatte. In den knapp drei Jahren der Existenz dieses Lagers waren insgesamt etwa 10.000 Deutsche und Ausländer hier unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Viele von ihnen waren zur Arbeit für die deutsche Rüstungswirtschaft gezwungene Ausländer aus den besetzten Gebieten, vor allem aus Polen und der Sowjetunion. Aus den Arbeitslagern (Gemeinschafts- oder Firmenlager) wurden sie oft wegen geringster Vergehen (unerlaubtes Verlassen der Arbeitsstätte oder des Aufenthaltsbezirkes, Verweigerung des "Deutschen Grußes", Entgegennahme von Lebensmitteln) in das Arbeitserziehungslager gebracht. Hier sollten sie bei mangelhafter Ernährung und ständig drohender Prügelstrafe durch Zwangsarbeit "umerzogen" werden, wobei auch die "Vernichtung durch Arbeit" in Kauf genommen wurde. Viele von ihnen wurden von hier aus in Konzentrationslager deportiert. Das Lager bestand aus drei Häftlings-Baracken, je mit 30 und mehr Personen belegt, einem Appellplatz, aus Wachturm und Wachraum, Entlausungsbad und Hundezwinger sowie dem sogenannten "Bunker" für den verschärften Strafvollzug. Aus den Erinnerungen eines ehemaligen Häftlings: "Die Unterkünfte waren voller Läuse und anderem Ungeziefer. Eine Waschgelegenheit befand sich nur im Freien. Hauptnahrung bildete eine Art Kartoffelsuppe aus ungeschälten Kartoffeln, Wasser und Margarine. Häufig kam es vor, daß die Männer nach dem Abendessen in den Baracken exerzieren mußten; bei Liegestützen wurde oft der Kopf vom Wachpersonal auf den Boden getreten. Ferner erinnere ich mich an häufiges Auspeitschen der Häftlinge auf einer Bank." Solche Erfahrungen waren es, derentwegen Menschen der unterschiedlichsten politischen Lager für unser Grundgesetz formulierten: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Anlage 2 = Vorschlag des Stadtteilhistorikers, Herrn Uwe Protsch Auf diesem Gelände betrieb die Frankfurter Gestapo von April 1942 bis März 1945 ein so genanntes "Arbeitserziehungslager". Tausende von Zwangsarbeitern, darunter auch 14- und 15-jährige Jugendliche, wurden hier wegen oft geringfügiger Vergehen oder auf Grund von Denunziationen wochen- und monatelang inhaftiert. Bei ungenügender Ernährung mussten sie Schwerstarbeit verrichten und brutale Misshandlungen erdulden. Nicht alle überlebte die Haft. Darüber hinaus wurden auch jüdische Mitbürger, unangepasste Jugendliche, Regimegegner und viele Andere, die nicht dem nationalsozialistischen Menschenbild entsprachen, eingewiesen und gequält. Viele von ihnen wurden anschließend in ein Konzentrationslager verbracht. Mehrere Personen wurden im "Arbeitserziehungslager" ohne Gerichtsverhandlung oder Untersuchung hingerichtet. Die Erinnerung an diesen Ort nationalsozialistischer Menschenverachtung soll aufrufen, jeden Angriff auf die Menschenwürde zu benennen und abzuwehren: "Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt habt!" (Flugblatt der "Weißen Rose") Anlage 3 = Vorschlag der Stolpersteininitiative Heddernheim Arbeitserziehungslager = KZ der Gestapo. Auf dem Gelände der Gedenkstätte betrieb die Gestapo Frankfurt am Main ein so genanntes "Arbeitserziehungslager". Die Haftbedingungen unterschieden sich nicht von denen in den Konzentrationslagern. Es war eines von über 200 im NS-Herrschaftsgebiet. Neben der NS-Justiz und den Konzentrationslagern waren die Arbeitserziehungslager die dritte Säule der NS-Unterdrückung. Im Zeitraum des "Lagerbetriebs" von April 1942 bis März 1945 (Auflösung mit einem Gewaltmarsch in den Vogelsberg kurz vor der Befreiung Anfang April) waren über 10.000 männliche Deutsche und Ausländer inhaftiert. Die Einweisung erfolgte in der Regel ohne Gerichtsverfahren lediglich auf Grund von Denunziation und oftmals wegen geringfügiger Vergehen. Ebenso wurde die auf acht Wochen begrenzte Haftzeit ohne Überprüfung verlängert und es wurden Häftlinge in Konzentrationslager verbracht. Bei ungenügender Ernährung und katastrophalen hygienischen Verhältnissen mussten die Häftlinge Schwerstarbeit verrichten. Die Haftbedingungen wurden durch brutale Misshandlungen erschwert. Es wurde billigend in Kauf genommen, dass nicht alle die Haftzeit überlebten. Im Lager wurden mehrere Menschen ohne Gerichtsbeschluss hingerichtet. Nachweisbar sind mindestens 17 Opfer. [Quelle: KZ der Gestapo - Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, : Gabriele Lotfi, Stuttgart/München, Dt. Verl.-Anst., 2000 - zu Absatz 1: Seite 7f - zu Absatz 3: Seite 211 bzw. dazugehörige Fußnote Seite 381]Hauptvorlage: Antrag vom 30.08.2011, OF 64/8 Beratung im Ortsbeirat: 8
Beratungsergebnisse:
7. Sitzung des OBR 8 am 26.01.2012, TO I, TOP 6 Beschluss: Anregung an den Magistrat OM 843 2012 1. Die Vorlage OF 64/8 wird durch die Annahme der Vorlage OF 110/8 für erledigt erklärt. 2. Die Vorlage OF 110/8 wird in der vorgelegten Fassung beschlossen. Abstimmung: zu 1. Einstimmige Annahme zu 2. Einstimmige Annahme