Skip to main content

Schienensuizide in Frankfurt am Main - Bahnkilometer 194 in Ginnheim/Bockenheim

Lesezeit: 5 Minuten
Partei(en): SPD

S A C H S T A N D :

Antrag vom 23.06.2021, OF 60/9 Betreff: Schienensuizide in Frankfurt am Main - Bahnkilometer 194 in Ginnheim/Bockenheim Der Ortsbeirat möge beschließen, einen Ortstermin zur Begutachtung der offenen Gleisstrecke zwischen Ginnheim und Bockehnheim auf dem Bahnkilometer 194 durchzuführen, welche als Suizid-Hotspot ausgemacht wurde. Folgende Personen und Institutionen sind einzuladen: - Vertretende Person des Verkehrsdezernats - Vertretende Person des Gesundheitsamtes - Vertretende Person der Deutschen Bahn AG - Ortsbeirat 2 - Leiterin/Leiter der Abteilung Psychiatrie/Psychiatriekoordination, Gesundheitsamt Frankfurt am Main - Koordinatorin/Koordinator des Frankfurter Netzwerks für Suizidprävention - Chefärztin/Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Agaplesion Markus Krankenhaus

Begründung:

Internationale Studien zeigen, dass suizidale Handlungen durch Sprung bzw. Sich-Legen vor einen Zug ("railway-relatetd") in bis zu 94% tödlich enden, was diese Suizidmethode zu einer der letalsten überhaupt macht (Krysinska & De Leo, 2008; Ladwig, Ruf, Baumert & Erazo, 2009; Mishara, 2007). Die freie Zugänglichkeit von Bahnanlagen ist vor allem dann problematisch, wenn es an bestimmten Streckenabschnitten gehäuft zu Suiziden kommt (so genannte "Hotspots"). An diesen Stellen ist aus unserer Sicht eine Sicherung unabdingbar - auch, wenn es in Deutschland derzeit noch keine gesetzliche Regelung gibt. Allerdings gibt es bereits Beispiele zur Sicherung von Streckenabschnitten: So hat die Bahn auf die Lokalisierung von Hotspots in ihrem Netz (z.B. bei Emmendingen) reagiert. Darauf konnte die Suizidrate insgesamt deutlich gesenkt werden. (https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/die-letzte-tat). In der Schweiz durchgeführte Studien am Beispiel der Sicherung von Brücken legen einen Algorithmus nahe, der eine Sicherung von "Hotspots" bei 0,5 Suiziden pro Jahr oder mehr über einen Zeitraum von 10 Jahren empfiehlt. In der Nähe einer psychiatrischen Klinik (< 2 km Umkreis) wird eine Sicherung möglicher Suizidorte grundsätzlich als sinnvoll angesehen (Reisch et al. 2006 und Reisch et al. 2014). Eine der erfolgreichsten und in der wissenschaftlichen Literatur eindeutig belegten Suizidpräventionsmöglichkeiten ist die Verringerung der Verfügbarkeit einer Suizidmethode ("restriction of means"). Nur ein geringer Teil der Betroffenen entscheidet sich für ein anderes Suizidmittel, wenn die ursprünglich avisierte Methode nicht mehr verfügbar ist. Auch gibt es Evidenz, dass nach Sicherung eines öffentlich zugänglichen Suizidortes keine oder nur eine sehr geringe Verlagerung auf andere Orte zu erwarten ist (z.B. Pirkis et al., 2013). Hotspots "zu sichern, ist somit eindeutig lebensrettend und führt ferner zu einer Verringerung der Traumatisierung Dritter" (NaSPro, 2016). Im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Gesundheit finanzierten Forschungsprojektes (FraPPE) wurden im Stadtgebiet Frankfurt solche kritischen Stellen evaluiert. Während in Deutschland im Jahr etwa 7% der Menschen, die einen Suizid begehen, durch einen Sprung oder das Sich-Legen vor einen Zug sterben, sind es in Frankfurt fast doppelt so viele: Im Jahr 2018 betrug der Anteil der Schienensuizide an der Gesamtzahl der Suizide 13,3%. Besonders kritisch ist der Frankfurter Stadtteil Ginnheim, in dem es in den letzten sechs Jahren zu sechs vollendeten Schienensuiziden kam - d.h. im Schnitt zu einem Suizid pro Jahr. Fünf davon ereigneten sich rund um den Bahnkilometer 194 - in unmittelbarer Nähe (500 m) einer psychiatrischen Klinik, dem Agaplesion Markuskrankenhaus. Auch wenn der Beobachtungszeitraum noch keine zehn Jahre umfasst, sind damit die Kriterien eines Hotspots bisher mehr als erfüllt. Eine Begutachtung des Hotspots ist sinnvoll, um mit allen Beteiligten und Zuständigen eine Lösung finden.Beratung im Ortsbeirat: 9

Beratungsergebnisse:

3. Sitzung des OBR 9 am 08.07.2021, TO I, TOP 17 Beschluss: Anregung an den Magistrat OM 562 2021 Die Vorlage OF 60/9 wird in der vorgelegten Fassung beschlossen. Abstimmung: Annahme bei Enthaltung BFF