Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus
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Bisheriger Verlauf
09.01.2018
19.04.2018
Antrag Ortsbeirat
Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus Baumweg 37
Details im PARLIS OF_393-3_2018Initiative Ortsbeirat
Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus Baumweg 37
Details im PARLIS OI_19_201809.01.2018
Antrag Ortsbeirat
Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus Baumweg 37
Details im PARLIS OF_393-3_201819.04.2018
Initiative Ortsbeirat
Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus Baumweg 37
Details im PARLIS OI_19_2018 Partei(en):
S A C H S T A N D :
Initiative vom 19.04.2018, OI 19 entstanden aus Vorlage: OF 393/3 vom 09.01.2018
Betreff: Gedenkplakette für Henriette Fürth am Haus
Baumweg 37 Der Magistrat wird gebeten, zum Gedenken an die jüdische Frauenrechtlerin, Soziologin und Sozialpolitikerin Henriette Fürth (1861 - 1938), die von 1895 bis kurz vor ihrem Tod in Frankfurt lebte und wirkte und dabei die überwiegende Zeit im Baumweg 37 wohnte, eine Plakette an der Stelle ihres ehemaligen Wohnhauses anzubringen und dazu den Kontakt zum Hauseigentümer aufzunehmen. Die Idee für die Ehrung dieser außergewöhnlichen Frau geht auf eine Stadtteilführung und eine anschließende Veranstaltung der Geschichts-AG des Nachbarschaftszentrums Ostend zurück. Das reiche und engagierte Leben von Henriette Fürth kann der nachfolgenden Zusammenfassung entnommen werden, die aus der Geschichts-AG heraus entstand. Bei der Konzeption und Gestaltung der Gedenkplakette sollten die Geschichts-AG und der Ortsbeirat einbezogen werden. Henriette Fürth (14.8.1861 - 1.6.1938) - Biografie - Henriette Fürth wurde 1861 als älteste Tochter einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in Gießen geboren und hatte fünf Geschwister. Ihr jüngerer Bruder Simon Katzenstein war ein bekannter Sozialist, dem sie wesentliche Anregungen für ihre publizistische Arbeit verdankte. Die jüdische Familie war äußerlich assimiliert, der Vater bekannte sich zum liberalen Judentum, die Mutter war orthodox orientiert. Die religiös-liberale Überzeugung des Vaters wurde Vorbild für Henriette. Nach dem Abschluss der zehnklassigen Höheren Volksschule folgten die Eltern nicht dem Rat des Direktors, die sehr begabte und fleißige Henriette Geschichte studieren zu lassen, weil - wie sie in den Erinnerungen festhält - "das Abitur für Mädchen damals nur auf dem Weg teurer privater Vorbereitung erreichbar war. Zum anderen weil ich als Jüdin keinerlei Aussicht auf späteres Fortkommen gehabt hätte." Die Eltern erlaubten aber, dass Henriette 1877 auf die Elisabethenschule, eine höhere Mädchenschule im Frankfurter Nordend mit angeschlossenem Lehrerinnenseminar, gehen darf. Leider ein kurzes Gastspiel, weil der Vater nach kurzer Zeit beschloss, dass Henriette die Schule abbricht und nach Gießen zurückkommt. Der Grund lag zum einen in dem Schulgeld und zum anderen in den geringen Aussichten für sie als Jüdin, eine angemessene Stelle als Lehrerin zu finden. Wahrscheinlich aber begann mit dieser Abmeldung die "Tragik ihres Lebens". Immer hat Henriette Fürth darunter gelitten, keine formelle Ausbildung und damit kein Handwerkszeug und keine anerkannten Voraussetzungen für ihre spätere Tätigkeit erlangt zu haben. Darüber hinaus leidet sie unter der Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung, der sie sich zeitlebens eng zugehörig fühlte. 1880 heiratet sie dann (mit 19) ihren sieben Jahre älteren Vetter Wilhelm Fürth aus Darmstadt, der Bankfachmann ist und zieht zu ihm in das Haus seines Vaters. Es ist aber keine "Pflichtheirat", Henriette hatte bereits mit 14 Jahren für diesen Vetter der Mutter geschwärmt und er hatte sie mehrfach in Frankfurt besucht. Mit ihm zieht sie 1895 nach Frankfurt in den Baumweg 37, in das von der Mutter Katzenstein gekaufte Haus. Mit ihrem Mann bekommt sie zwischen 1881 und 1899 acht Kinder und führt mit ihm nach eigenen Aussagen eine gute Ehe. Er toleriert und unterstützt ihre außerhäuslichen Aktivitäten, die auch finanziell für die Familie wichtig sind. Dies gilt auch für ihre publizistische Arbeit und ihre Auftritte als Rednerin. In Frankfurt beginnt auch ihre publizistische, wissenschaftliche und soziale Tätigkeit. Angeregt von ihrem Bruder Simon Katzenstein entstehen zunächst unter einem Pseudonym Buchbesprechungen zu Frauenfragen. Um ihre Bildung zu erweitern wird sie im Freien Deutschen Hochstift aktiv, das auch Frauen die Mitarbeit ermöglicht und sich als freie Hochschule versteht. Innerhalb dessen volkswirtschaftlicher Sektion verfasst sie ihre erste wissenschaftliche Arbeit über die Verhältnisse der Heimarbeit in der Herrenkonfektion, den das Hochstift zusammen mit anderen Arbeiten zur Heimarbeit 1896 veröffentlicht. Bis in die 1920er Jahre entsteht eine Vielzahl von Arbeiten zu sozialen und soziologischen Problemen mit Schwerpunkt Frauenpolitik und Bevölkerungsentwicklung, sexueller Aufklärung und Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten. Mit ihren Arbeiten sozialstatistischer und sozialwissenschaftlicher Art, die auf Empirie basieren und die Methode der qualitativen Interviews, die Henriette Fürth verwendet, erhält sie weite Beachtung, die sie 1910 eventuell schon 1909 als erste Frau in Deutschland zum Mitglied der 1909 neu entstandenen Deutschen Gesellschaft für Soziologie werden lässt. Ihr politisches Engagement beginnt ebenfalls 1896 und führt zu einer Mitgliedschaft in der SPD, formell allerdings erst nach 1908, als Frauen die Mitarbeit in politischen Vereinen offiziell möglich wird. Für die Zeitungen und Zeitschriften der Partei entsteht eine Vielzahl von Beiträgen. Da sie sich allerdings immer ein eigenständiges Denken zur Grundlage macht, wird sie auch im Rahmen der bürgerlichen Frauenbewegung aktiv, was von dieser und der SPD jeweils kritisch begleitet wird. Zu ihren sozialpolitischen Aktivitäten zählen die Mitarbeit im Hauspflegeverein und die Leitung der Rechtsschutzstelle für Frauen (1897/98); 1901 begründet sie mit Bertha Pappenheim den Verein "Weibliche Fürsorge" und wird Mitglied des ersten Vorstandes des Vereins; 1914 ist sie am Aufbau der Frankfurter Kriegsküchen beteiligt; 1910 wird sie als erste Frau Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten. Von Anfang an ist sie auch in der AWO aktiv, dessen Frankfurter Ortsverband sie in den 1920er Jahren und vermutlich bis 1933 leitet. Nicht zuletzt wegen ihrer Unterstützung der Gründung der Frankfurter Universität wird sie in deren Großen Rat als Mitglied berufen; später ist sie im Kuratorium und 1931 - zu ihrem siebzigsten Geburtstag - erhält sie für ihre Verdienste in der sozialen Arbeit die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt und eine Ehrenurkunde der Universität. 1933 wird sie aus allen Ämtern von den Nazis vertrieben. 1919 erhielten Frauen erstmals das aktive und passive Wahlrecht. Für die SPD kandidierte Henriette Fürth zunächst für die Nationalversammlung, konnte aber kein Mandat gewinnen. Dann stellte die SPD sie für die Stadtverordnetenversammlung auf, in die sie auch gewählt wurde. Dort war sie Mitglied des Finanzausschusses und der Deputation für das Sozial- und Gesundheitswesen sowie im Lebensmittelamt. 1924 wurde sie nicht wieder aufgestellt, sodass sie aus der Stadtverordnetenversammlung ausschied. Nachdem 1930 das Haus im Baumweg verkauft werden musste, zieht sie mehrmals in Frankfurt um. 1937 dann, nachdem ihr Mann 1932 verstorben ist, zieht sie zu ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Bad Ems, wo sie 1938 verstirbt. Sechs ihrer Kinder und ihren Familien gelingt die Auswanderung nach Palästina und England während zwei Töchter, die in die Niederlande gegangen waren, dort von den Nazis verhaftet und 1944 im KZ Auschwitz und im KZ Solibor ermordet wurden. (Der Text wurde von den Mitgliedern der Geschichts-AG des Nachbarschaftszentrum Ostend erstellt.) Antragstellender Ortsbeirat: Ortsbeirat 3Versandpaket: 25.04.2018