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Schienensuizide in Frankfurt am Main - Bahnkilometer 194 in Ginnheim/Bockenheim

Lesezeit: 5 Minuten
Partei(en):

S A C H S T A N D :

Anregung an den Magistrat vom 08.07.2021, OM 562 entstanden aus Vorlage: OF 60/9 vom 23.06.2021 Betreff: Schienensuizide in Frankfurt am Main - Bahnkilometer 194 in Ginnheim/Bockenheim Der Magistrat wird gebeten, einen Ortstermin zur Begutachtung der offenen Gleisstrecke zwischen Ginnheim und Bockenheim auf dem Bahnkilometer 194, welche als Suizid-Hotspot ausgemacht wurde, durchzuführen. Folgende Personen und Institutionen sind einzuladen: - Vertretende Person des Verkehrsdezernats; - Vertretende Person des Gesundheitsamtes; - Vertretende Person der Deutschen Bahn AG; - Ortsbeirat 2; - Leiterin/Leiter der Abteilung Psychiatrie/Psychiatriekoordination, Gesundheitsamt Frankfurt am Main; - Koordinatorin/Koordinator des Frankfurter Netzwerks für Suizidprävention; - Chefärztin/Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Agaplesion Markus Krankenhaus.

Begründung:

Internationale Studien zeigen, dass suizidale Handlungen durch Sprung bzw. Sich-Legen vor einen Zug ("railway-related") in bis zu 94 Prozent tödlich enden, was diese Suizidmethode zu einer der letalsten überhaupt macht (Krysinska & De Leo, 2008; Ladwig, Ruf, Baumert & Erazo, 2009; Mishara, 2007). Die freie Zugänglichkeit von Bahnanlagen ist vor allem dann problematisch, wenn es an bestimmten Streckenabschnitten gehäuft zu Suiziden kommt (sogenannte Hotspots). An diesen Stellen ist eine Sicherung unabdingbar - auch, wenn es in Deutschland derzeit noch keine gesetzliche Regelung gibt. Allerdings gibt es bereits Beispiele zur Sicherung von Streckenabschnitten: So hat die Bahn auf die Lokalisierung von Hotspots in ihrem Netz (z. B. bei Emmendingen) reagiert. Darauf konnte die Suizidrate insgesamt deutlich gesenkt werden. (https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/die-letzte-tat). In der Schweiz durchgeführte Studien am Beispiel der Sicherung von Brücken legen einen Algorithmus nahe, der eine Sicherung von Hotspots bei 0,5 Suiziden pro Jahr oder mehr über einen Zeitraum von zehn Jahren empfiehlt. In der Nähe einer psychiatrischen Klinik (< 2 km Umkreis) wird eine Sicherung möglicher Suizidorte grundsätzlich als sinnvoll angesehen (Reisch et al. 2006 und Reisch et al. 2014). Eine der erfolgreichsten und in der wissenschaftlichen Literatur eindeutig belegten Suizidpräventionsmöglichkeiten ist die Verringerung der Verfügbarkeit einer Suizidmethode ("restriction of means"). Nur ein geringer Teil der Betroffenen entscheidet sich für ein anderes Suizidmittel, wenn die ursprünglich avisierte Methode nicht mehr verfügbar ist. Auch gibt es Evidenz, dass nach Sicherung eines öffentlich zugänglichen Suizidortes keine oder nur eine sehr geringe Verlagerung auf andere Orte zu erwarten ist (z. B. Pirkis et al., 2013). Hotspots "zu sichern, ist somit eindeutig lebensrettend und führt ferner zu einer Verringerung der Traumatisierung Dritter" (NaSPro, 2016). Im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Gesundheit finanzierten Forschungsprojektes (FraPPE) wurden im Stadtgebiet Frankfurt solche kritischen Stellen evaluiert. Während in Deutschland im Jahr etwa sieben Prozent der Menschen, die einen Suizid begehen, durch einen Sprung oder das Sich-Legen vor einen Zug sterben, sind es in Frankfurt fast doppelt so viele: Im Jahr 2018 betrug der Anteil der Schienensuizide an der Gesamtzahl der Suizide 13,3 Prozent. Besonders kritisch ist der Frankfurter Stadtteil Ginnheim, in dem es in den letzten sechs Jahren zu sechs vollendeten Schienensuiziden kam - d. h. im Schnitt zu einem Suizid pro Jahr. Fünf davon ereigneten sich rund um den Bahnkilometer 194 - in unmittelbarer Nähe (500 Meter) einer psychiatrischen Klinik, dem Agaplesion Markus Krankenhaus. Auch wenn der Beobachtungszeitraum noch keine zehn Jahre umfasst, sind damit die Kriterien eines Hotspots bisher mehr als erfüllt. Eine Begutachtung des Hotspots ist sinnvoll, um mit allen Beteiligten und Zuständigen eine Lösung zu finden. Antragstellender Ortsbeirat: Ortsbeirat 9dazugehörende Vorlage: Stellungnahme des Magistrats vom 29.11.2021, ST 2131 Beratung im Ortsbeirat: 9

Beratungsergebnisse:

5. Sitzung des OBR 9 am 04.11.2021, TO I, TOP 4 Beschluss: a) Es dient zur Kenntnis, dass eine schriftliche Stellungnahme des Magistrats nicht vorliegt und ein Vertreter des Magistrats in der Sitzung nicht zugegen war. b) Der Magistrat wird hiermit unter Hinweis auf § 4 Absatz 10 GOOBR an die Erledigung der Angelegenheit erinnert. Abstimmung: Einstimmige Annahme Aktenzeichen: 66 0