Bestehenden Umweltlärm bei der Erstellung von Bebauungsplänen berücksichtigen Aufmerksamkeitszonen einer Einzelfallprüfung unterziehen
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Partei(en):SPD
S A C H S T A N D :
Antrag vom 19.10.2020, OF 786/11 Betreff: Bestehenden Umweltlärm bei der Erstellung von Bebauungsplänen berücksichtigen Aufmerksamkeitszonen einer Einzelfallprüfung unterziehen Der Ortsbeirat bittet die Stadtverordnetenversammlung zu beschließen: Zum Gewerbeflächenentwicklungsprogramm (M151 v.25.09.2020) A: Bei Zielsetzung, Punkt 6, zusätzlich mit einzufügen: Belange von emittierenden Betrieben, die auf Industrie- und Gewerbegebiete angewiesen sind, bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sowie der städtischen Liegenschaftspolitik Priorität einzuräumen und die emittierenden Betrieben auf deren Verträglichkeit hinsichtlich des bereits bestehenden "Umweltlärms" in den Wohngebieten zu überprüfen. B.: Aufmerksamkeitszonen Aufmerksamkeitszonen mit geringen pauschalen Entfernungserfordernissen sind komplett zu streichen oder es sind an diese die Erfordernisse einer individuellen Betrachtung durch die Behörden zu knüpfen um Umweltlärmgrenzwerte in den Stadtteilen im Rahmen zu halten.
Begründung:
Das Gewerbeflächenentwicklungsprogramm ist eine Grundlage für das städtebauliche Entwicklungskonzept und ist damit bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen. Zu A.: Ein wesentlicher Aspekt fehlt bei diesem Gewerbeflächenentwicklungsprogramm. Bei den Standorten für emittierende und stark emittierende Industrie und Gewerbe wird immer nur auf den Einzelfall abgestellt. Eine Gesamtbetrachtung des Umweltlärms bei der Genehmigung eines Betriebes findet nicht statt. Jeder Betrieb wird nur auf seine eigene individuelle Geräuschentwicklung hin genehmigt. Jeder Betrieb darf dabei den vollen zulässigen Rahmen ausschöpfen. Das sind bei der Industrie z.B. maximal 72dB Lärm im 24h Betrieb, Tag und Nacht. Sind mehrere Betriebe aktiv kann es zu Überschreitungen der Grenzwerte beim Umweltlärm führen, da die Lärmwerte der Lärmquellen sich addieren. Besonders rasch tritt dies ein, wenn die Schutzzonen nicht eingehalten werden können und auf Aufmerksamkeitszonen reduziert wird. Der Umweltlärm ist die Summe aller Geräuschquellen die auf die Bewohner eines Stadtteils einwirken. Das sind z.B. Autobahnlärm, Baulärm, Straßenlärm, Fluglärm und Gewerbelärm etc. Diese Gesamtlärmbelastung geht nicht in die Bewertung und Prüfung von Autobahnprojekten, Gewerbezulassungen oder Genehmigung von Industrieanlagen ein. Es wird immer nur der einzelne Emittent bewertet. Eine Summenbetrachtung erfolgt nicht. Die Prüfung des Umweltlärm wird im Nachgang nur korrigiert durch die amtlichen und schwerfälligen Lärmminderungspläne. Dies ist völlig getrennt von der ehemaligen und juristisch fast nicht mehr revidierbaren Genehmigung eines Betriebes. Das bedeutet: Nachdem Betriebe einmal genehmigt worden sind, muss mit anderen einfachen Mitteln versucht werden, die Lärmgrenzen beim Umweltlärm zu reduzieren. Das wird dann versucht in dem man kleine Erdwälle aufschüttet oder innerörtliche Straßen mit Flüsterasphalt belegt (Wächtersbacher Straße). Gleichzeitig verlieren wir in der Stadt Gebiete, die als reine und allgemeine Wohngebiete ausgewiesen sind. Deren Grenzwerte sind gesetzlich nachts z.B. mit 35 und 40dB festgesetzt. Diese können schon heute nicht mehr eingehalten werden. Fechenheim-Nord hat bereits heute eine Umweltlärmbelastung nachts von 45dB, anstelle des für ein reines Wohngebiet amtlich zulässigen Höchstwertes von 35dB. Die zahllosen Umweltlärmquellen in der Summe sollten bei den Entscheidungen über Genehmigungen von Betrieben und Baumaßnahmen zwingend herangezogen werden. Bereits heute machen die Lärmquellen von der U-Bahn, Autobahnverkehr, Fluglärm und Gewerbelärm mit Dauerrauschen von Klimaanlagen der Rechenzentren, Hessen-Center oder dem Fleischereibetrieb der Firma Brandenburger einen erheblichen Teil des Umweltlärmes in den Stadtteilen Riederwald und Fechenheim aus. Die Folge wäre, dass die Stadt Frankfurt sonst damit beginnen muss, bestehende Wohngebiete zu streichen und diese als Mischgebiete umzuqualifizieren. Das kann aber nicht das Ziel sein und das ist von den Bürgern der Stadtteile nicht gewünscht. Es macht die allgemeine Situation nur noch schwieriger, dass bereits die heute gültigen Lärmabstandsgrenzen im Ortsbezirk zwischen Wohngebieten und Gewerbeflächen nicht eingehalten werden können. Dies ist bedingt durch die historisch entstandenen Quartiere. Daher sollte mit der Prüfung der individuellen Lärmemissionen eines neuen Gewerbes ebenfalls geprüft werden, ob mit den zusätzlichen Emissionen der Umweltlärm weiter ansteigen wird über ein Maß, dass die Verträglichkeit von "Gewerbe mit Wohngebieten" einschränken würde. Das nachträgliche Erstellen von zweitklassigen Lärmminderungsplänen um den Umweltlärm in den Griff zu bekommen, bringt die Belastungen in der Regel nicht mehr auf das alte Niveau. Bei den Lärmminderungsplänen werden Maßnahmen vorgenommen, wie zum Beispiel Flüsterasphalt auf Straßen, Durchgangsöffnungen zum Wohngebiet im Erlenbruch, die zugemauert werden sollen, Fahrverbot von LKW zu Nachtzeiten oder Erdwälle aufschütten. Das sind alles nur Ersatzmaßnahmen, die das Übel nicht beseitigen, sondern nur mildernd wirken. Besonders wenn wir von weiteren nachhaltigen Gewerbegebieten sprechen und genau diese entwickeln möchten, sollte der Gedanke des Umweltschutzes an erster Stelle stehen. Reduzierung von Umweltlärm ist aktiver Umweltschutz. Zu B.: Aufmerksamkeitszonen Aufmerksamkeitszonen mit geringen pauschalen Entfernungserfordernissen zu besetzen ist nicht ausreichend für einen Schutz der Bevölkerung in Wohngebieten. Eine individuelle Betrachtung ist in jedem Einzelfall zwingend erforderlich, wenn schon die allgemeinen gesetzlichen Schutzabstände nicht eingehalten werden können. Eine Entfernung von nur 500m von einem Industriegebiet bedeutet bei einem Waldgebiet nur eine Lärmreduzierung von weniger als 5dB. Nur 100m von einem emittierenden Gewerbebetrieb kann ebenfalls zu gering sein. Bei einer Wohnung die sich nicht auf Erdgeschoßniveau befindet, gelangt der Schall fast ungemindert bis zum Bürger. 24 Stunden dürften dann bis zu einem 72 dB Dauerlärmpegel dort sogar nachts emittiert werden. Eine solche pauschale Genehmigung würde jedem Mieter z.B. nur den Weg einer sehr finanzaufwendigen individuellen Klage als Abwehrmittel lassen. Einer städtischen Intervention wären erneut die Hände gebunden. Bereits heute teilt das Umweltamt bei Lärmbeschwerden regelmäßig mit, die Betriebe seien so genehmigt und dem Amt seien die Hände gebunden. Diese Regelung der standardisierten Aufmerksamkeitszonen macht es dem Amt sehr einfach bei der Bewertung. Es kann nicht Ziel sein die Wohngebiete völlig aufzugeben und den Umweltlärm ( die allgemeine bereits heute bestehende Lärmbelastung) völlig außer Acht zu lassen. Frankfurt muss eine lebenswerte Stadt bleiben und die soziale Struktur muss erhalten bleiben.Hauptvorlage: Vortrag des Magistrats vom 25.09.2020, M 151 Beratung im Ortsbeirat: 11
Beratungsergebnisse:
42. Sitzung des OBR 11 am 26.10.2020, TO I, TOP 15 Beschluss: Anregung OA 621 2020 1. Der Vorlage M 151 wird unter Hinweis auf OA 621 zugestimmt. 2. Die Vorlage OF 786/11 wird mit der Maßgabe beschlossen, dass a) unter A im Tenor nach dem Wort "Wohngebieten" die Worte "und eventuellen Mischgebieten", b) in der Begründung zu A im zehnten Absatz nach den Worten "Gewerbe mit Wohngebieten" die Worte "und eventuellen Mischgebieten" und c) in der Begründung zu B im ersten Absatz nach dem Wort "Wohngebieten" die Worte "und eventuellen Mischgebieten" eingefügt werden. Abstimmung: zu 1. SPD, LINKE., 1 BFF und FDP gegen GRÜNE (= Ablehnung); CDU und 1 BFF (= Enthaltung) zu 2. Annahme bei Enthaltung CDU und 1 BFF